Wo ein Billen ist, ist auch ein Weg … weiterer Kollateralschaden in Sachen „Nürburgring 2009“ Die seltsamen Methoden des Eifel-007 sind ein Schlag gegen den Rechtsstaat. Von Harald W. Jürgensonn Ein Kollateralschaden entsteht im Krieg, wenn durch ungenauen oder überdimensionierten Waffeneinsatz weitere, nicht beabsichtigte Schäden entstehen. Das sind zivile Tote, zerbombte Krankenhäuser und verstümmelte Kinder beispielsweise. Ein „Begleitschaden“ also, wie es die Militärs verniedlichend nennen.
Vor einem Kollateralschaden ganz anderer Art stehen wir jetzt in Rheinland-Pfalz. Der erste Schaden, den Rechtsstaat und Demokratie erlitten, war der Nürburgring-Skandal, verursacht durch Kontakte der Landesregierung zu kriminellen, von der Staatsanwaltschaft gejagten Investoren. Der zweite Schaden, der Kollateralschaden also, geht auf das Konto des CDU-Chefaufklärers Michael Billen. Im Rahmen seiner Tätigkeit als Leiter des Untersuchungsausschusses hat er widerrechtlich erlangte Unterlagen des Polizeilichen Informationssystems „Polis“ benutzt. Ein Vorgehen, das wir bislang nur aus James-Bond-Filmen kannten.
Bond bediente sich beim Abgreifen solcher Informationen meist schöner Gespielinnen, Billen genügte die eigene Tochter. Die Kriminalpolizistin gab zu, ihrem Vater die brisanten Unterlagen über am Skandal beteiligte Männer überreicht zu haben, nachdem sie widerrechtlich das „Polis“-System angezaft hatte. Michael Billen aber – ganz Gentleman wie Bond – stellte sich daraufhin schützend vor seine private IM und behauptete, die Unterlagen bei ihr zufällig entdeckt und, so wörtlich, „abgegriffen“ zu haben.
Wenig später wurden die detaillierten Angaben samt Identifikationsnummern der betroffenen Nürburgring-Manager in Billens Heimatblatt veröffentlicht. Billen stellt sich dumm: Er habe diese Informationen auf keinen Fall weitergegeben. Wer aber sonst? Das ist die gleiche Dreistigkeit, mit der Ministerpräsident Kurt Beck behauptete, die Finanzierung des Megaprojekts „Nürburgring 2009“ sei in Ordnung –und wo jetzt die Steuerzahler für 300 Millionen Euro geradestehen müssen. Es bleibt die Erkenntnis, dass hier der Beelzebub Billen den Teufel Beck austreiben wollte.
Und es sind Schlussfolgerungen zu ziehen. Nicht nur Beck und seine Finanzjongleure müssen die Konsequenzen ziehen und zurücktreten. Auch Billen muss nicht nur den Vorsitz im Untersuchungsausschuss niederlegen, sondern auch sein Landtagsmandat niederlegen. Wenn jetzt nur gegen Billens Tochter disziplinarisch ermittelt werden sollte, wäre sie ein Bauernopfer im Profilierungskrieg zwischen SPD und CDU. Steuergeldverschwender Beck und der in der Grauzone krimineller Ermittlungsmethoden agierende Billen kämen ungeschoren davon – ein weiterer Kollateralschaden, diesmal für Demokratie und Wählervertrauen.
Die Fronten auf dem Schlachtfeld des Nürburgring-Skandals sind unübersichtlich geworden. Stand zunächst die SPD mit ihrem ins kriminelle Milieu hinein reichenden Finanzierungs-Hütchenspiel vermeintlich allein gegen die Bürgerinnen und Bürger, stellte sich schnell raus, dass es auch in der CDU Befürworter des Megamillionengrabs in der Eifel gab. Und ein weiteres Mitglied eben dieser CDU tritt im Zuge der Ermittlungen jetzt ebenfalls rechtsstaatliche und demokratische Grundsätze mit Füßen.
CDU-Landesvorsitzender Christian Baldauf, der die Ring-Untersuchungen zur Chefsache erklärte und damit seinem blassen Image etwas Farbe verleihen wollte, ist ein weiteres Kollateralopfer. Statt sich auf seine angestrebte Aufgabe als CDU-Spitzenkandidat für die Landtagswahl 2011 vorzubereiten, hat er sich mit nichtssagenden Allgemeinplätzen im Untersuchungsausschuss verschlissen – hilflos musste er erleben, dass ihm von seiner Parteispitze in Berlin die ehemalige Deutsche Weinkönigin Julia Klöckner als Kandidatin für das Ministerpräsidentenamt vor die Nase gesetzt wurde.
Bleibt festzuhalten: Beck muss weg. Billen muss weg. Baldauf ist schon weg. Und die FDP? Sie will von Billens Recherche-Methoden nichts gewusst haben. Aber es ist anzunehmen, dass die Ergebnisse dieser seltsamen Methoden des Aufklärers Billen gerne als Munition gegen Beck genommen worden wären, hätte sich nicht deren kriminelle Beschaffung öffentlich präsentiert. Also war für den Juristen und FDP-Parlamentsfuchs Herbert Mertin schnellstmögliche Distanzierung angesagt.
Im Rahmen der Skandal-Untersuchung werden noch weitere Kollateralschäden folgen. Schließlich gab es einen Ring-Aufsichtsrat, dessen stellvertretender Vorsitzender auch kein Unbekannter ist: Landrat Dr. Jürgen Pföhler (CDU) aus dem Kreis Ahrweiler. Sollte er in dieser Eigenschaft wirklich nichts von dem finanziellen Kartenhaus gewusst haben, das jetzt zusammenstürzte, wäre er der falsche Mann am falschen Platz gewesen. Sollte er dagegen zumindest etwas geahnt haben von der halbseidenen Finanzierung, ist ihm Untätigkeit zum Nachteil von Millionen Bürgerinnen und Bürgern vorzuwerfen. Beides qualifiziert nicht für das verantwortungsvolle Amt eines Aufsichtsratsvorständlers und Landrats.
DIE LINKE fasst zusammen: Kurt Beck hat ganze Arbeit geleistet. Der „Nürburgring 2009“ ist ein Millionen Euro vernichtendes Projekt, bei dem sich einige Wenige die Taschen auf Kosten der Bevölkerung vollstopfen konnten. Die Landesregierung hat offenbart, dass sie gegen die Interessen der Bürgerinnen und Bürger handelt. Ein Minister musste bereits zurücktreten, der zweite wird bald folgen. Dem mitverantwortlichen Nürburgring-Hauptgeschäftsführer wurde der Vertrag nebst gehörigem Zuschlag verlängert, zumindest ein führendes Mitglied der Opposition hat geltendes Recht gebrochen. Der CDU-Chef ist demontiert, der Untersuchungsausschuss beschädigt. Kollateralschäden halt … 2011 wird DIE LINKE in Fraktionsstärke in den Mainzer Landtag einziehen. Wie es aussieht, müssen sich ihre Abgeordneten dann als Erstes mit dem Nürburgring-Skandal bzw. dessen Aufklärung beschäftigen. Denn sie sind die Einzigen, die nicht in irgendeiner Weise involviert sind und deshalb neutral und im Interesse der Bürgerinnen und Bürger handeln können – mit Methoden, die Recht und Gesetz entsprechen. Beck, Billen, Baldauf und anderen Vertretern der politischen B-Klasse sei gesagt: Wo ein Billen ist, ist auch ein Weg – nämlich raus aus dem Parlament. |