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Auch gesundheitliche Vorsorge und Versorgung bei Krankheit ist ein Menschenrecht und darf nicht vom Geldbeutel abhängig sein. DIE LINKE ist gegen ein Zweiklassen-Gesundheitssystem, das für Reiche erheblich besser ist als für weniger Betuchte oder für Arme. Wir wollen eine solidarische Gesundheitskasse und Volksversicherung, in der alle Einkommensbezieher Beitrag zahlen. Jeder nach seinen Fähigkeiten und jedem nach seinen Bedürfnissen. Wir brauchen eine soliarische Volksversicherung innnerhalb der allgemeinen Sozialversicherung für alle. Nur gemeinsam sind die Menschen stark! LINKS, wo das Herz schlägt!

Grundsätze für ein solidarisches Gesundheitswesen
Diskutiert und verabschiedet auf dem Symposium "Solidarisches Gesundheitswesen" der BAG Gesundheit und Soziales am 10. Januar 2009 in Berlin

Das Gesundheitswesen in den einzelnen Bundesländern muss uneingeschränkt der bedarfsgerechten, flächendeckenden, wohnortnahen gesundheitlichen Versorgung der Bevölkerung dienen und mit seinen Leistungen allen Menschen unabhängig von ihrer sozialen und finanziellen Situation zur Verfügung stehen. Die Gesundheitspolitik hat deshalb die Verringerung der sozialen Ungleichheit bei der Gesunderhaltung und medizinischen Versorgung in den Mittelpunkt ihres Handelns zu stellen. Die Gesundheitsförderung und Krankheitsprävention müssen als eine wichtige, eigenständige Säule des Gesundheitswesens entwickelt und in einem Präventionsgesetz verankert werden.

Ärztinnen und Ärzte sowie nichtärztliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen ihre Aufgaben allein am medizinischen Bedarf der Patientinnen und Patienten orientiert wahrnehmen können und dürfen durch Leistungsausgrenzungen und Budgetdeckelungen nicht in ihrem Handeln eingeschränkt werden. Das setzt einen gesellschaftlichen Konsens dergestalt voraus, dass unter Gesundheit tatsächlich "das vollkommene körperliche, seelische und soziale Wohlsein" (WHO) verstanden wird und dass die Einrichtungen sowie Leistungen des Gesundheitswesens gleichermaßen allen Menschen, unabhängig von ihrer sozialen bzw. finanziellen Situation, offen stehen müssen.

Es muss deshalb verhindert werden, dass Bedarfsgerechtigkeit durch Markt-gerechtigkeit ersetzt wird und das Gesundheitswesen zu einer Gesundheitswirtschaft mutiert, in dem der Patient zum Kunden wird, der angeblich gern selbst, also "eigenverantwortlich" für den Erhalt seiner Gesundheit zahlt. Das durch die gesetzlichen Krankenkassen und Steuern finanzierte Gesundheitswesen muss vor marktradikalen Eingriffen bewahrt werden. Dazu gehört auch, dass erzielte Gewinne im System bleiben und dem Wohle der Versicherten und Beschäftigten dienen.

Die Sozialstaatsbestimmung des Grundgesetzes (Artikel 20, Abs. 1) muss in diesem Sinne vom Staat wieder als Auftrag verstanden werden, Rahmenbedingungen für einen sozialen Ausgleich zwischen unterschiedlichsten gesellschaftlichen Gruppen zu schaffen und das Gesundheitswesen als einen Teilbereich der öffentlichen Daseinsvorsorge vor marktradikalen Eingriffen zu schützen.

DIE LINKE fordert deshalb:

1. Die Rücknahme aller in den vergangenen Jahren vorgenommenen Privatisierungen von Leistungen (also alle einseitigen Belastungen der Versicherten wie Praxisgebühr, Zuzahlungen bei Medikamenten, Kostenübernahme bei Zahnersatz und Brillen usw.).

2. Die Einführung der "Solidarischen Bürgerversicherung" unter Umsetzung des uneingeschränkten "Solidarprinzips", wonach alle entsprechend ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit in die Krankenversicherung einzahlen und im Krankheitsfalle dem Bedarf entsprechend behandelt werden. Zur Finanzierung des Gesundheitswesens werden dementsprechend alle Einkommen und Einkommensarten herangezogen, d. h. neben den Arbeitseinkommen auch Einkünfte aus Kapital- und Unternehmensgewinnen herangezogen. Die Solidarische Bürgerversicherung hebt die Trennung von Privater und Gesetzlicher Krankenversicherung auf und erstreckt sich auf die gesamte Bevölkerung. Damit wird den Grundsätzen der Solidarität wieder volle Geltung verschafft. Arbeitgeber zahlen bis zur Einführung einer solidarischen Bürgerversicherung mindestens die Hälfte und bei Geringverdienern einen höheren Anteil der Krankenversicherungsbeiträge. Zur kurzfristigen Stabilisierung der Finanzkraft der Gesetzlichen Krankenversicherung werden die Pflichtversicherungs- sowie Beitragsbemessungsgrenzen schrittweise erhöht.

3. Die Kriterien für den krankheitsorientierten Risikostrukturausgleich zwischen den Krankenkassen sind so zu fassen, dass diejenigen Krankenkassen, die viele chronisch und Mehrfacherkrankte versichern, die zusätzlichen Behandlungskosten über den Finanzausgleich erstattet bekommen. Die willkürliche Beschränkung auf 80 Krankheiten führt weder zu einem ausreichenden Ausgleich noch befördert diese Art des Finanzausgleichs die Gesundheitsförderung. Die Kriterien für den Risikostrukturausgleich zwischen den Kassen sind deshalb so zu fassen, dass die Gesundheitsförderung neben dem krankheitsorientierten (= morbiditätsorientierten) Finanzausgleich einen mindestens gleichrangigen Stellenwert einnimmt.

4. Die Selbstverwaltungen der Kassen als Körperschaften des öffentlichen Rechts sind demokratisch weiterzuentwickeln, u. a. durch regelmäßige öffentliche Rechenschaftslegungen, durch Wahrnehmung der Rechte in den Selbstvertretungen und durch Stärkung der Mitwirkung von Versicherten- und Patientenvertretern. Die medizinische Versorgung muss durch einen öffentlich-rechtlichen Sicherstellungsauftrag gewährleistet bleiben.

5. Wir fordern, dass die Einführung und Nutzung der elektronischen Gesundheitskarte vollkommen freiwillig und allein im Ermessen der Patientinnen und Patienten erfolgt. Arbeitgebern und öffentlichen Dienststellen ist ein Zugriff auf die dort gespeicherten Daten gesetzlich zu untersagen.

6. Die am Bedarf orientierte Krankenhausplanung bleibt in staatlicher Hand. Die Länder und Kommunen nehmen weiterhin ihre Verantwortung für die bedarfsgerechte, investive Ausstattung der Krankenhäuser wahr. Die duale Krankenhausfinanzierung ist zu erhalten. Deregulierung der Landeskrankenhausplanung lehnen wir ab.

7. Die weitere Privatisierung von Krankenhäusern ist zu verhindern und die Rückführung privatisierter Häuser in öffentliche, genossenschaftliche, Mitarbeiter geführte oder vergleichbare, nicht marktwirtschaftlich orientierte Trägerschaft zu befördern.

8. Probleme der öffentlichen Haushalte dürfen nicht über Kürzungen der Krankenhausfinanzierung bzw. anderer Leistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge gelöst werden, sondern allein durch eine sozial gerechte Steuerpolitik. Defizite bei der Finanzierung von Krankenhäusern, die der bedarfsgerechten Versorgung der Bevölkerung dienen, sind mit öffentlichen Mitteln auszugleichen.

9. Die ineffiziente, kostenintensive Trennung von ambulanten und stationären Einrichtungen des Gesundheitswesens ist schrittweise zu überwinden, indem die vorhandenen Ressourcen im Bereich der ambulanten Einrichtungen, der Krankenhäuser, der Rehabilitations- und Pflege-Einrichtungen bedarfsgerecht regional vernetzt werden. Neue Berufe (z. B. Gemeindeschwester, Arzt entlastende Assistenten) werden im Interesse einer bedarfsgerechten Versorgung der Bevölkerung etabliert. 1

0. Der öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD) ist zur Wahrnehmung seiner Aufgaben im Sinne der Gesundheitsförderung und als Partner von Institutionen und Bevölkerung in den unterschiedlichen Lebenswelten zu stärken.

11. Eingedenk des sich verstärkenden Zusammenhangs von sozialer Lebenssituation und dem Gesundheitszustand der Bevölkerung in Deutschland gilt es – neben der Verbesserung der sozialen Lebensbedingungen – Gesundheitsförderung und Prävention als eine wichtige Säule im Gesundheitswesen auszubauen. Wir fordern die schnelle Einführung eines Präventionsgesetzes.

12. Die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln muss sich am medizinischen Bedarf orientieren. Zur Eindämmung der Kosten im Bereich der Arzneimittelausgaben ist mittels einer Positivliste eine öffentliche Preissteuerung für patentgeschützte Arzneimittel einzuführen. Die Kosten für alle medizinisch notwendigen, von den Ärzten verordneten Medikamente sind von den Kassen zu tragen (einschließlich der "Bagatellmedikamente"). Die Mehrwertsteuer für Arzneimittel ist auf 7 Prozent zu reduzieren.

13. Die Zulassung, Festsetzung der Kostenübernahme und Überwachung von medizinischen Leistungen und von Arzneimitteln und bleiben hoheitliche Aufgaben. Eine Bewerbung von Arzneimitteln bei Verbrauchern und Ärzten ist zu untersagen.

14. Die Aus-, Fort- und Weiterbildung der im Gesundheitswesen Beschäftigten bleibt eine öffentlich-rechtliche Aufgabe. Zuwendungen der Industrie an Ärzte und andere Beschäftigte des Gesundheitswesens im Rahmen dieser Aus-, Fort- und Weiterbildung sind gesetzlich zu untersagen. Es wird stattdessen von der pharmazeutischen und medizintechnischen Industrie eine umsatzabhängige Fortbildungsabgabe von mindestens 1 % zur Finanzierung der Aus-, Fort- und Weiterbildungskosten erhoben.

15. Zur Sicherung einer bedarfsgerechten, flächendeckenden und wohnortnahen gesundheitlichen Versorgung der Bevölkerung - insbesondere im ländlichen Raum - bedarf es einer planmäßigen Nachwuchsgewinnung und Nachwuchsförderung für alle medizinischen Berufe.

16. Medizinische Leistungen sind sowohl im ambulanten als auch im stationären Bereich der alten und der neuen Bundesländer nach einheitlichen Kriterien zu vergüten. Die Ost-West-Angleichung von Honoraren sowie Löhnen und Gehältern für alle im Gesundheitswesen Tätigen ist kurzfristig umzusetzen.